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MorphogeneseDie Klavier-MetapherDie Sehrinde, also der Teil der Großhirnrinde, der visuelle Reize verarbeitet, ist im wesentlichen eine zwei-dimensionale Nervenzellschicht. Man stelle sich nun für die Sehrinde stellvertretend eine "Klaviertastatur" vor. Die einzelnen Tasten stehen für Nervenzellen aus der Sehrinde. Benachbarte Nervenzellen können miteinander kommunizieren und so spontan Erregungsmuster ausbilden. Auch dafür brauchen wir in der Metapher einen passenden Ersatz. Solche dynamischen Erregungsmuster in der Sehrinde stellen wir uns als eine klavierspielende Hand vor, die verschiedene Tasten (Nervenzellen) in vorgegebener Reihenfolge drückt (anregt). Eine Hand, die zum Beispiel einmal von links nach rechts über die ganze Tastatur streift, stellt in diesem Bild einen neuralen Wellenprozeß dar, der einmal durch die Sehrinde läuft. Die visuelle Halluzination, deren Formenvielfalt durch die Metapher anschaulich gemacht werden soll, wird durch die erklingende Tonfolge symbolisiert. Die Frage nach der Morphogenese der visuellen Migräneaura wird in der übertragenen Bedeutung der Metapher zur Frage, welche Tonfolge erklingt und welcher Mechanismus für diese Tonfolge verantwortlich ist. Bleiben wir bei bei der Hand, oder besser bei einem Handrücken, der einmal von links nach rechts über die ganze Tastatur streift. Die Tasten werden durch die Hand in geordneter Reihenfolge angeschlagen. Trotzdem ist nicht allein die Hand dafür verantwortlich, dass eine aufsteigende Tonfolge gespielt wird. Welcher Ton beim Drücken einer Taste erklingt, ist vielmehr in der Bauweise des Klaviers verankert. Wäre ein Klavier anders aufgebaut, erklänge bei der gleichen Spielweise eine ganz andere Tonfolge. Die Hand bestimmt somit zwar, welche Tasten wann und wie schnell gedrückt werden und damit auch, wieviele Töne gespielt werden, doch sie bestimmt nicht, welcher Ton zu einer Taste gehört. Mit diesem Unterschied im Hinterkopf, verlassen wir für zunächst wieder die metaphorische Ebene und betrachten eine typische visuelle Migräneaura, die sogenannte Fortifikation. Die Fortifikation läuft in der Regel einmal quer durch das halbe Gesichtsfeld und verschwindet an dessen Rand wieder. Dies erklärt man nun folgendermaßen. Eine pathologische Erregungswelle in der Sehrinde löst die visuelle Aura aus. Nun muß man wissen, dass auf der Sehrinde das Gesichtsfeld topologisch geordnet abgebildet ist, d.h. in der Sehrinde befindet sich eine Landkarte des Gesichtsfeldes. Deswegen wird ein wanderndes Objekt im Gesichtsfeld auch als ein wanderndes Objekt in der Sehrinde repräsentiert. Dies gilt auch umgekehrt! Eine neurale Erregungswelle, die nicht über die Sensorik ausgelöst ist sondern einen pathologischen Ursprung hat, wird als wanderndes Objekt im Gesichtsfeld interpretiert. Der entscheidender Punkt, der durch die Metapher nun verständlicher sein sollte, ist der folgende. Eine pathologische Erregungswelle allein, also ohne die topologische Anordnung des Gesichtsfeldes auf der Sehrinde, kann wandernde Symptome nicht erklären. Das Wandern der Symptome bei einer Migräne mit Aura reflektiert eine wesentliche Eigenschaft unserer Großhirnrinde, nämlich ihren topologischen Aufbau. Damit ist gemeint, dass im Sinnesraum benachbarte Reize auch in der Großhirnrinde nahe zusammenliegend verarbeitet werden. Für Halluzinationen gilt folglich umgekehrt: räumlich beieinanderliegende Störungen in der Sehrinde werden auch als benachbart im Gesichtsfeld wahrgenommen. Bernhard Hassenstein, Verhaltensbiologe und Mitbegründer der biologischen Kybernetik, hat sehr unterhaltsam beschrieben, wie man mit einfachen Experimenten mit der Migräneaura den Zusammenhang zwischen Gesichtsfeld und Sehrinde visualisieren kann. Die Migräneaura reflektiert demzufolge funktionelle Eigenschaften der Großhirnrinde. Diese Aussage gilt allgemein und nicht allein für die topologische Anordnung unserer Sinnesdaten. Auch andere Merkmale der Migräneaura, zum Beispiel die für die Fortifikation so charakteristischen Zickzack-Linien, spiegeln die "innere" Organisation der Sehrinde wider. Man sollte also zwei musterbildende Prozesse bei der Morphogenese der Aura unterscheiden, einmal die raum-zeitliche Dynamik der Erregung (die Spielweise der Hand) und zum anderen den funktionellen Aufbau der Sehrinde (die Klaviertastatur) mit den dahinterliegenden Hirnarealen (der Rest des Klaviers). Während der erste Prozeß ein rein pathologischer ist, betrifft der zweite die im gesunden Gehirn vorhandene neuralen Verschaltung und damit grundlegende sensorischen Funktionen der Großhirnrinde. Daher rührt das große Interesse der Gehirnforscher an den halluzinativen Mustern der Migräneaura. Die Trennung von physiologsicher und pathologischer Erregung ist allerdings ein sehr kritischer Punkt. Man muß begründen, wieso eine getrennte Betrachtung überhaupt möglich ist. Beide Prozesse laufen nämlich im selben "Medium" ab und können deswegen miteinander wechselwirken. Insofern könnten beide Prozesse zu einem einzigen pathophysiologischen Prozess "verschmelzen", dessen Erregungsmuster nicht einfach die Überlagerung der Muster aus den Einzelprozessen ist. [weiter] LiteraturDahlem, MA und Müller, SC. Migraine aura dynamics after reverse retinotopic mapping of weak excitation waves in the primary visual cortex. Biol. Cybernet. (2003) 88,419-424. Autor: Markus Dahlem
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